Studie zur Chancengerechtigkeit: Nachholbedarf in allen Bundesländern
Die Chancen von Schülern, soziale Nachteile zu überwinden und ihr Leistungspotenzial auszuschöpfen, unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland deutlich. Das zeigt der Chancenspiegel, mit dem die Bertelsmann Stiftung und das Institut für Schulentwicklungsforschung (IFS) an der Technischen Universität Dortmund die Schulsysteme aller Bundesländer auf Chancengerechtigkeit untersucht haben. Ergebnis: Kein Land ist überall spitze, kein Land überall Schlusslicht – aber die Unterschiede zwischen den Ländern sind erheblich.
Der Chancenspiegel bewerte Gerechtigkeit und Leistungsfähigkeit der Schulsysteme in vier Dimensionen: Integrationskraft, Durchlässigkeit, Kompetenzförderung und Zertifikatsvergabe. Im Kern beschreibe der Chancenspiegel somit, wie die Schulsysteme der Länder mit Vielfalt umgehen, erklärt die Bertelsmann Stiftung. Inwiefern werden starke ebenso wie schwache Schüler gefördert? Werden diejenigen wirksam unterstützt, die schon bei der Einschulung benachteiligt sind?
"Die Bundesländer müssen deutlich mehr voneinander lernen." Das ist für Jörg Dräger, Mitglied des Vorstands der Bertelsmann Stiftung, die zentrale Schlussfolgerung aus den großen Unterschieden zwischen den Ländern, die der Chancenspiegel abbildet. Das Ausmaß der Unterschiede verdeutlichten einige Beispiele: In Sachsen-Anhalt sei der Anteil der Kinder, die auf einer separaten Förderschule unterrichtet werden und keinen Zugang zur Regelschule haben, nahezu drei Mal höher als in Schleswig-Holstein. Und in Sachsen besuchen drei von vier Schülern eine Ganztagsschule, in Bayern nicht einmal jeder zehnte. "Hier bestehen Gerechtigkeitslücken, denn sowohl die Ganztagsschule als auch der Besuch einer Regel- statt einer Förderschule steigern die Bildungschancen", sagt Dräger.
Ein regionales Gefälle zeige sich auch im Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Lesekompetenz, der in Bremen fast doppelt so hoch ist wie in Brandenburg. Eine Hochschulzugangsberechtigung erreichen in Nordrhein-Westfalen, Hamburg, im Saarland und in Baden-Württemberg jeweils mehr als die Hälfte der Schüler – in Mecklenburg-Vorpommern nicht einmal 36 Prozent.
Der Chancenspiegel zeige auch, dass Schulsysteme in Deutschland durchaus fair und leistungsstark zugleich sein können, erklärt die Bertelsmann Stiftung. In Sachsen etwa sei das Schulsystem vergleichsweise durchlässig: Die Chancen für Kinder aus unteren Sozialschichten auf einen Gymnasialbesuch sind relativ gut, nur wenige Schüler bleiben sitzen. Sachsen überzeuge aber nicht nur in dieser Gerechtigkeitsfrage, sondern auch bei der Kompetenzförderung. Sowohl die leistungsstärksten als auch die leistungsschwächsten Schüler gehören deutschlandweit zu den Besten ihrer jeweiligen Vergleichsgruppe.
Pressemitteilung der Bertelsmann StiftungStudie Chancenspiegel